Männlich, 35 Jahre, Automobilzulieferer, Abteilungsleiter Entwicklung seit 2013.
Wie wird man Führungskraft?
Aus Frustration ;-)
Bereits im Dez. 2012, nach Ausscheiden des Entwicklungschefs, wurde ich bzgl. dieser Position gefragt. Zu diesem Zeitpunkt war ich als technischer Projektleiter für
Neugeschäft, Innovationsmanagement und Konzeptentwicklung zuständig. Damals hatte ich andere Karrierepläne in Richtung Gesamtprojektleitung (Program Manager). Eine Abteilungsleitung schien mir
ein zu früher Eintritt in die Rente.
Der neue Chef startete voll durch, entwarf große Pläne und schien trotz kompletter Unkenntnis unserer Produktpalette inkl. Technologien durchaus zu wissen, was er da tut.
Im Laufe des Jahres stellte sich heraus, dass er sich lediglich eines begrenzten rhetorischen Repertoires bediente und sein mangelndes Interesse an unseren Produkten und unserer Arbeit durch umso größeres Interesse an persönlichem Vorteil ausglich.
Die Stimmung war im Keller. Die Geschäftsleitung war äußerst unzufrieden mit der Abteilungsleistung. Eines Morgens passte mich der neue BU-Direktor ab und fragte beiläufig wie es denn so läuft. Meine ausweichende Antwort fand bei ihm keine Akzeptanz und ich gewann eine Aussprache in seinem Büro. Er fragte mich ganz beiläufig, ob ich mir auch die Entwicklungsleitung vorstellen könnte. 2 Wochen später zog ich in mein neues Büro.
Die ersten 100 Tage in der neuen Aufgabe
Wie eingangs beschrieben bestand die erste große Herausforderung in der Ordnung der Abteilung sowohl faktisch als auch moralisch. Letzteres war einfach. Ausnahmslos alle waren demotiviert und frustriert, sodass der Führungswechsel bereits als Befreiung empfunden wurde. Allerdings lässt sich ein über Monate angestautes Potential und Verhalten nicht kurzfristig ändern. Durch ruhige aber klare Ansprachen und Ansagen in konkreten Situationen konnte ich den alten, höheren Anspruch an die eigenen Arbeitsergebnisse wiederherstellen. Ich machte allen klar, dass ich, innerhalb der Abteilung aufgestiegen, immer noch ein Mitglied dieses Teams bin, dennoch das letzte Wort habe und mir auch nicht nehmen lassen würde.
Bis heute und von Anfang an erfahre ich von meinem Team bis auf wenige, umgehend geklärte Ausnahmen, eine beispielhafte Unterstützung. Die Ordnung des Berichtswesens (Abteilungsfinanzen etc.) und die Organisation/ Schaffung der Teams für neue Projekte bedeuteten parallel zum Tagesgeschäft eine signifikant höhere Abwesenheit von zuhause. Ich danke meiner Frau für ihre Geduld und Fürsorge. Aufgrund monatelang fehlender Führung gab die Entwicklung auch in Richtung der Kunden kein gutes Bild ab. Durch verstärktes Auftreten bei den Kunden, auch auf niedrigerer Ebene, konnten wir das bekannte positive Bild ('Change! Yes, we can…again!') etablieren.
Im Umgang mit anderen Managern konzentrierte ich mich ausschließlich auf eine sachliche Auseinandersetzung und überging, im Rahmen meines Temperaments, die üblichen Spitzen. Eine gewisse Vorsicht im Umgang mit erfahreneren Managern, also die Beachtung einer bestehenden 'Hackordnung', ist ein wichtiger Bestandteil des Handelns in den ersten Wochen. Der Aufbau von Mauern, das Vorführen Anderer in Managementrunden kann die „Einarbeitungsphase“ stark beeinträchtigen. Dennoch gilt, dass richtige Standpunkte richtig bleiben und nicht geräumt werden dürfen nur aus Rücksicht auf Andere.
Heute, nach 6 Monaten, läuft die Abteilung im Gleichklang, die Kunden (intern und extern) sind zufrieden und verschiedene Gräben überwunden. Ich komme rechtzeitig nach Hause.
Dass das weiterhin so bleibt, das ist mein Commitment.